AIDA versinkt in der Panoramafreiheit

Die Kreuzfahrtreederei „AIDA Cruises“ hat einen Anbieter von Landausflügen verklagt, weil er das Foto von einem AIDA-Schiff mit dem charakteristischen Kussmund-Logo auf seiner Internetseite veröffentlicht hatte. Der Bundesgerichtshof entschied, dass sich die Panoramafreiheit gem. § 59 Abs. 1 UrhG auch auf Kunstwerke erstreckt, die nicht ortsfest sind (Az. I ZR 247/15 – AIDA Kussmund). Damit durfte der Beklagte das Foto mit dem Kussmund ins Internet stellen.

(Bild: AIDA-Kussmund, CC0, Darkone)

(Bild: AIDA-Kussmund, CC-BY-SA-2.5, Darkone)

 

Die „Panoramafreiheit“ als Schranke des Urheberrechts

Das Urheberrecht gewährt dem Urheber eines Werks ausschließliche Verwertungsrechte. Unter anderem darf er das Werk vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen. Grundsätzlich dürfen andere das Werk nur mit seiner Zustimmung nutzen. Bei Werken, die in der Öffentlichkeit aufgestellt sind, ist das ökonomische Monopol des Rechtsinhabers aber beschränkt. Hier greift die sogenannte „Panoramafreiheit“ ein. Gemäß § 59 Abs.1 UrhG ist es zulässig, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Die Norm erlaubt also zum Beispiel ein Werk in der Öffentlichkeit zu fotografieren und diese Fotos ins Netz zu stellen, ohne den Urheber fragen zu müssen. Der Gedanke dahinter: Solche Werke sind der Allgemeinheit gewidmet.

Konkurrierende Unternehmer

Der Künstler des „Kussmundes“ hatte der AIDA Cruises das ausschließliche Recht eingeräumt, den Kussmund zu nutzen. Dieses Recht macht die AIDA nun gegen einen anderen Unternehmer geltend. Ein Anbieter von Landausflügen für Kreuzfahrtreisende veröffentlichte auf seiner Internetseite ein Foto eines AIDA-Schiffs, das sich am Hafen von Madeira befand. Damit wollte er Werbung für seine Angebote machen.

Allerdings war das AIDA-Logo nicht sofort erkennbar, weswegen sich eine Urheberrechtsverletzung nicht unbedingt aufdrängte. Es lässt sich spekulieren, dass sich AIDA strategisch des Urheberrechts bedient hat, um einen etwaigen Konkurrenten zu schikanieren.

Sind Schiffe von der Panoramafreiheit erfasst?

Bereits die unterinstanzlichen Gerichte hatten festgestellt, dass der Kussmund urheberrechtlich geschützt ist. Im Mittelpunkt des Rechtsstreits vor dem BGH stand darum die Frage, ob der Kussmund auf einem AIDA-Schiff von der Panoramafreiheit erfasst ist. AIDA argumentierte, dass sich ein Schiff nicht bleibend an öffentlichen Wegen befinde, sondern sich von einem Hafen zum anderen bewege.

Der BGH widersprach. Damit bestätigte er die Urteile der Vorinstanzen. Ein Werk sei von der Panoramafreiheit erfasst, „wenn es von Orten aus, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden kann“. „Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn ein Werk nicht ortsfest ist und sich nacheinander an verschiedenen öffentlichen Orten befindet“. Ein Schiff sei „dazu bestimmt, für längere Dauer auf der Hohen See, im Küstenmeer, auf Seewasserstraßen und in Seehäfen eingesetzt zu werden, und dort von Orten aus wahrgenommen zu werden, die für jedermann frei zugänglich sind“.

Fotografieren in der Öffentlichkeit weitgehend erlaubt. Aber nicht in allen Ländern.

Das Urteil ist nicht auf Schiffe beschränkt. Auch Werke an Fahrzeugen, die bestimmungsgemäß im öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt werden, unterfallen der Panoramafreiheit – etwa Werbung auf Bussen oder Straßenbahnen. Der BGH stärkt somit die Rechte der Öffentlichkeit.

Allerdings gilt die Panoramafreiheit nicht europaweit. Das italienische Urheberrecht kennt zum Beispiel keine entsprechende Schrankenregelung: Wenn ein Paar auf einem öffentlichen Platz in Rom ein Foto macht, das eine moderne Skulptur im Hintergrund zeigen, kommt das dem Urheber wahrscheinlich eher unromantisch vor.

K. T.

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