Autorin: Antonia Feneberg
Am 10.12.2020 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass § 6a Abs. 2 S. 1 Antiterrordateigesetz (ATDG) mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar und somit nichtig ist (Az. 1 BvR 3214/15). Die Antiterrordatei (ATD) wurde im Rahmen des ATDG 2006 eingeführt und dient als Verbunddatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten insbesondere der Verhinderung von Terroranschlägen. Das ATDG a.F. erlaubte den Sicherheitsbehörden im Regelfall i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ATDG den Zugriff auf Grunddaten gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ATDG, wie Name, Geschlecht und Geburtsdatum. Ein Zugriff auf die erweiterten Grunddaten i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ATDG war lediglich in Eilfällen unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen. Bereits 2013 erachtete das BVerfG § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ATDG sowie weitere Vorschriften des ATDG als unvereinbar mit dem Grundgesetz (1 BvR 1215/07). Infolgedessen musste der Gesetzgeber die Normen überarbeiten.
Die zum 1. Januar 2015 in Kraft getretene Neufassung beinhaltete eine Änderung der beanstandeten Regelungen und ergänzte das ATDG um § 6a ATDG. Dieser stärkte die Befugnisse der Sicherheitsbehörden und erlaubte gem. § 6a Abs. 2 S. 1 ATDG eine erweiterte projektbezogene Datennutzung, das sog. „Data-mining“. Der Begriff „Data-mining” beschreibt die Nutzung statistischer Verfahren zur Erkennung von Mustern, Besonderheiten und neuen Zusammenhängen auf Basis eines gespeicherten Datensatzes (Legaldefinition in § 6a Abs. 5 S. 2 ATDG).
Das BVerfG musste nun über die Rechtmäßigkeit des „Data-minings“ entscheiden: Der Beschwerdeführer sah sich durch die Regelung in § 6a ATDG in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt.
Das BVerfG hielt die Verfassungsbeschwerde für teilweise begründet: Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die erweiterte Datennutzung gem. § 6a Abs. 2 S. 1 ATDG sei unverhältnismäßig und dadurch mit dem Grundgesetz unvereinbar und somit nichtig. Die Norm genüge den besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen der hypothetischen Datenneuerhebung nicht. Nach Ansicht des BVerfG müsse das informationelle Trennungsprinzip, die grundgesetzlich angeordnete Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten, beim Informationsaustausch beachtet werden.
Die Nutzung einer Verbunddatei, die einen Datenaustausch zwischen Informationsbehörden ermöglicht, könne gerechtfertigt werden, wenn sie dem Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter diene. Die Nutzung müsse darüber hinaus durch präzise bestimmte und normenklare Regelungen an hinreichende Eingriffsschwellen gebunden sein. Der Befugnis nach § 6a Abs. 2 S. 1 ATDG fehle jedoch diese hinreichend qualifizierte Eingriffsschwelle, die bisher normierte „Erforderlichkeit im Einzelfall“ sei nicht ausreichend. Aufgrund dessen genüge § 6a Abs. 2 Satz 1 ATDG den grundgesetzlichen Anforderungen nicht.
Im Übrigen wurde die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Entscheidungen des BVerfG:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-104.html
Weiterführende Informationen:
https://verfassungsblog.de/eingriffsintensivierung-durch-technik/
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