EuGH zu Streaming – Gefundenes Fressen für die Abmahnindustrie?

Musik, TV-Sendungen und Kinofilme: Mittlerweile ist es nicht nur möglich, sondern auch üblich, diese zu streamen. Nach einer Befragung der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz streamen 78 % der deutschen Internetnutzer Bild oder Ton. Neben den legalen Anbietern wie Netflix oder Amazon Prime Instant Video erfreuen sich insbesondere Portale wie kino.to, das seit seiner Schließung unter dem Namen kinox.to weiterhin betrieben wird, großer Beliebtheit. Lange schon wird die Frage, ob das Streaming von Filmen, Sendungen oder auch Musik gegen das Urheberrecht verstößt und damit illegal ist, kontrovers diskutiert. Ende April hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu dem Thema in einem Urteil (C-527/15) erstmals Stellung bezogen.

Hintergrund der Entscheidung

Ein Unternehmer verkaufte eine kleine Box, die an den Fernseher angeschlossen und über die auf viele Streaming-Quellen im Netz zugegriffen werden kann. Mittels einer vorinstallierten Open-Source Software werden die Quellen in einem einheitlichen Menü auf dem Fernsehbildschirm angezeigt. Der Verkäufer bewarb die Streaming-Box unter anderem damit, dass Streaming, im Gegensatz zum Download, klar erlaubt sei. BREIN, eine niederländische Organisation zum Schutz von Urheberrechten, ging gegen dieses Angebot vor und klagte.

Was ist Streaming?

Beim Streaming im eigentlichen Sinne werden die Dateien nicht vollständig heruntergeladen, sondern es findet ein ständiger Datenfluss zwischen dem sendenden Server und dem empfangenden Endgerät statt. Der eigene Computer empfängt beim Streaming kleine Datenpakete, die nach und nach dekodiert und im Arbeitsspeicher zwischengespeichert werden. Diese Kopien werden kurz nach ihrem Gebrauch wieder gelöscht. (Bei manchen Streaming-Portalen wie z.B. YouTube wird erst gelöscht, wenn man die Seite verlässt bzw. ein neues Video auswählt. Hier kann es deshalb dazu kommen, dass zwischenzeitlich sogar eine vollständige Kopie des Werkes im Arbeitsspeicher vorhanden ist.)

Ist das legal?

Streaming galt bisher als rechtliche Grauzone. Generell berührt der reine Werkgenuss, also das Hören von Musik oder das Ansehen eines Videos, nicht das Urheberrecht. Beim Streaming werden jedoch – technologiebedingt – Kopien hergestellt. Bei diesen Kopien handelt es sich aus urheberrechtlicher Sicht um „Vervielfältigungen“, die grundsätzlich verboten sind.

Von diesem Verbot macht das Gesetz allerdings eine Ausnahme in § 44a UrhG. Danach sind flüchtige Kopien erlaubt, die z.B. durch das Surfen im Internet entstehen, etwa wenn man sich ein rechtmäßig ins Internet gestelltes Video ansieht. Ob diese Ausnahme jedoch auch für den Genuss unrechtmäßig hochgeladener Videos gilt, war bisher umstritten. Die Gerichte tendierten in der Vergangenheit jedoch dazu, das bloße Anschauen eines Streams als legal zu bewerten. Eine eindeutige Regelung oder höchstrichterliche Rechtsprechung gab es jedoch noch nicht.

Was sagt nun der EuGH dazu?

Der EuGH stellt bezüglich Streaming-Boxen fest, dass auch der Verkauf von Zubehör, das es erleichtern soll, illegale Quellen zu nutzen, in das Recht zur „öffentlichen Wiedergabe“ der Urheber eingreife. Dabei stützt der EuGH sich unter anderem auf seine Rechtsprechung, nach der das Setzen von Hyperlinks Urheberrechte verletzen kann. Daneben können laut EuGH die beim Nutzen einer solchen Streaming-Box entstehenden flüchtigen Kopien Urheberrechte verletzen. Der EuGH betont insbesondere, dass die „Handlungen der vorübergehenden Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werks durch Streaming von der Website eines Dritten, auf der dieses Werk ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers angeboten wird […] nicht die in dieser Vorschrift festgelegten Voraussetzungen erfüllen“. Damit würden diese Handlungen von keiner Ausnahme privilegiert. Dies begründet der EuGH damit, dass sich der Käufer einer solchen Streaming-Box freiwillig und mit Kenntnis Zugang zu einem kostenlosen und nicht zugelassenen Angebot verschaffe. Die Ausnahme finde nur Anwendung, wenn die normale Verwertung des Werkes nicht beeinträchtigt werde.

Was heißt das nun allgemein für das Streaming?

Die Aussagen des EuGH lassen sich auch auf den direkten Gebrauch von Streaming-Portalen übertragen. Bei der hohen Zahl der Nutzer illegaler Streaming-Plattformen erscheint das Urteil des EuGH wie ein gefundenes Fressen für die Abmahnindustrie.

Fraglich ist jedoch, ob es den Rechteinhabern auch gelingen wird, aktiv gegen die Nutzer vorzugehen. Beim Filesharing mittels Tauschbörse lässt sich technisch relativ einfach ermitteln, über welche IP-Adresse zu einem konkreten Zeitpunkt ein Werk anderen Nutzern zum Download angeboten wurde, weil jeder sich mit dem Tauschbörsennetzwerk verbinden kann. Um aber herauszufinden, wer sich ein bestimmtes Werk auf einer Internetseite als Stream angeschaut hat, müsste man sich Zugriff auf den Webserver verschaffen. Das werden die Anbieter, die ihre Internetseiten weit weg von Deutschland betreiben, nicht einfach zulassen. Damit wird es für die Rechteinhaber schwer, an die Nutzerdaten zu gelangen. Dennoch: Ganz ausgeschlossen ist es nicht, dass gegen die Nutzer von Streaming vorgegangen werden wird.

Bewertung

Das Urteil ist zu kritisieren, denn: Die flüchtigen Kopien, die beim Streaming entstehen, sind lediglich technische Notwendigkeiten des Abspielvorgangs. Dem Nutzer kommt es auf die Kopien eigentlich gar nicht an (anders beim Filesharing), sondern ihm geht es um den reinen Werkgenuss. Außerdem birgt das Urteil große Unsicherheiten für die Nutzer. Anders als bei der Streaming-Box lässt sich bei Streaming-Portalen im Internet häufig nicht genau feststellen, ob ein Angebot rechtswidrig ist. Wo kann man hier eine sinnvolle Grenze ziehen? Bei einem Film, der noch im Kino läuft, kann wohl von einem rechtswidrigen Angebot ausgegangen werden, das als solches auch leicht erkennbar ist. Doch was ist bei älteren Filmen? Und wie steht es um Plattformen wie zum Beispiel YouTube, bei denen jeder Videos hochladen kann? Wer dort nachschaut, wird feststellen, dass einige Filme in ganzer Länge verfügbar sind. Gerade die große Menge kostenloser Streaming-Portale macht eine Bewertung durch den Nutzer unübersichtlich und schwierig. Hier bedarf es einer klaren Regelung, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.

Sophie Seulberger

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