Facebook findet Freunde – aber nicht beim BGH

Wir schreiben das Jahr 2010. Die Digitalisierung Ihres Lebens ist in vollem Gange. Erwartungsvoll öffnen Sie die E-Mail einer alten, fast vergessenen Bekanntschaft und stellen verärgert fest: Doch keine Einladung auf ein Bier. Stattdessen möchte Facebook, dass Sie endlich Mitglied seines Universums werden.

Funktionsweise

In der Version von 2010, die der Entscheidung des BGH zugrunde liegt, wurde neuen Nutzern bei ihrer Erstanmeldung nahegelegt, ihre Adressbücher zu importieren. Mithilfe der erhobenen Daten stellte die Social Media-Plattform u. a. fest, welche der Kontakte noch nicht registriert sind. Sodann wurden automatisierte E-Mails an ebenjene Personen verschickt.

Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht

Mit dieser Vorgehensweise hat Facebook jedenfalls beim BGH keine Freunde gefunden: Am 14.1.2016 entschied der BGH, dass diese Praxis gegen das Wettbewerbsrecht verstoße. Es handele sich dabei einerseits um eine Irreführung der Facebook-Nutzer sowie andererseits um belästigende Werbung. Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (vzbv). Seiner Klage hatte zuvor bereits das LG Berlin stattgegeben. Das KG Berlin hatte die Berufung Facebooks zurückgewiesen.

Rechtliche Grundlagen

Das Wettbewerbsrecht soll ein faires wirtschaftliches Verhalten unter den verschiedenen Marktteilnehmern ermöglichen. Zu ihnen gehören Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen. Grenzen setzt hier unter anderem § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Unzulässig ist es demnach, wenn Marktteilnehmer durch eine „geschäftliche Handlung“ unzumutbar belästigt werden (§ 7 Abs. 1 S. 1 UWG). Eine solche Belästigung liegt beispielsweise vor, wenn geworben wird, obwohl der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung erkennbar nicht wünscht (§ 7 Abs. 1 S. 2 UWG).

Bestimmte Konstellationen bezeichnet das Gesetz selbst als unzumutbare Belästigung (§ 7 Abs. 2 UWG). Hierzu zählt beispielsweise Werbung, die per E-Mail verschickt wird, ohne dass der Empfänger vorher ausdrücklich eingewilligt hat (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG). Zweck der Norm ist es unter anderem, den Verbraucher in seiner privaten Sphäre zu schützen.

Dieses Ziel schlägt sich auch im Verbot der irreführenden geschäftlichen Handlungen nieder (§ 5 UWG). Hiernach sind Handlungen irreführend, die unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthalten. Dabei kommt es darauf an, wie der Verbraucher die betreffende Handlung subjektiv wahrnimmt.

Das Urteil

Eine solche irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 UWG sieht der BGH in der Erhebung persönlicher Daten Dritter. Der neu registrierte Nutzer sei nicht ausreichend darüber informiert worden, welche Daten erhoben und wozu sie anschließend genutzt würden. Das Gegenargument, der Nutzer hätte sich durch einen Klick auf den Hinweis „Sind deine Freunde schon bei Facebook?“ genauer über die Datenerhebung informieren können, überzeugte den BGH nicht. Auch die weitergehenden Informationen, die der Benutzer beim Klick auf „Dein Passwort wird von Facebook nicht gespeichert“ erhielt, reichten nicht aus: Es könne nicht sichergestellt werden, dass der Nutzer auf den Hinweis klicke und die notwendigen Informationen tatsächlich zur Kenntnis nehme. Nach Ansicht des BGH lässt sich eine Irreführung auch mit diesem Argument nicht ausräumen.

Die mithilfe dieser Daten versandten Mails beurteilt der BGH als unzumutbar belästigende Werbung im Sinne von § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG. Denn dabei handele es sich keinesfalls um eine private Nachricht, sondern vielmehr um Werbung, die Facebook mittels eines Dritten verschicke. Da die Empfänger jedoch nicht ausdrücklich eingewilligt hätten, habe Facebook die Einladungen nicht an sie versenden dürfen (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG).

Bedeutung des Urteils

Der vzbv begrüßt das Urteil sowie die daraufhin erfolgte Änderung des Freunde-Finders. Mittlerweile werden die Nutzer darüber informiert, dass die Kontaktdaten Dritter, die sie an Facebook weitergeben, gespeichert werden können. Die Einladungs-Mails werden nicht mehr automatisch von Facebook verschickt, sondern finden ihren Weg in einen fremden Posteingang nur noch dann, wenn der Nutzer manuell eine solche Einladung versendet. Allerdings bestehe nach Ansicht des vzbv weiterhin Handlungsbedarf: Der Streit um die sogenannte „IP-Klausel“ in den Facebook-AGB, die bereits in den vorinstanzlichen Verfahren für unwirksam erklärt wurde, sei noch nicht ausgefochten. Mit der IP-Klausel lässt sich Facebook ein weitreichendes und kostenloses Nutzungsrecht an den Inhalten seiner Nutzer (z. B. Fotos und Videos) einräumen.

Mit der aktuellen Entscheidung gibt die Rechtsprechung zwei klare Linien vor, die nicht nur für Social Media-Plattformen gelten und auch über „Freunde finden“-Funktionen hinaus bedeutsam sein dürften. Erstens: Die eigenen Daten gehören dem jeweiligen Nutzer selbst und dürfen von anderen nicht beliebig an Dritte weitergegeben und schon gar nicht zu Werbezwecken genutzt werden, solange keine ausdrückliche Einwilligung des Empfängers vorliegt. Zweitens: Nutzer müssen von Unternehmen in angemessener Weise darüber in Kenntnis gesetzt werden, welche Daten zu welchem Zweck erhoben werden, um eine informierte Entscheidung darüber treffen zu können, welche Daten sie weitergeben möchten. (C.La.)

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