Autor: Jona Outzen
+++GERADE VERMELDET+++ Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen KREBSERKRANKUNG zurückziehen.
Diese grellen Worte stehen im Mittelpunkt einer anstehenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Sie haben die Abbildung von vier prominenten Persönlichkeiten übertitelt, von denen einer an Krebs erkrankt war. Hierüber wurde im verlinkten Artikel auch wahrheitsgemäß berichtet, doch ein Bezug zu den übrigen Personen auf dem Foto fehlte. Einer der Abgebildeten – ein bekannter Fernsehmoderator – hat daraufhin erfolgreich geklagt: Das OLG Köln gestand ihm wegen der Nutzung seines Bildes einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 20.000 € im Wege der Lizenzanalogie zu (OLG Köln, Urteil vom 28.05.2019 – 15 U 160/18).
Der BGH hat nach der Revision der beklagten Programmzeitschrift nun grundsätzliche Fragen zu klären. Wo endet redaktionelle Verwendung und wo beginnt werbliche Vereinnahmung? In welchem Verhältnis stehen Clickbaiting und Pressefreiheit? Wann wird bloße Geschmacklosigkeit zur justiziablen Rechtswidrigkeit?
Rechtliche Einordnung
Nach Ansicht des OLG folgt der Anspruch sowohl aus Bereicherungs- als auch Deliktsrecht (§ 812 I 1 2. Alt. BGB und § 823 I BGB i.V.m. Art. 1 I, 2 I GG sowie § 823 II BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG). Durch die Veröffentlichung sei schuldhaft in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Fernsehmoderators und dessen Recht am eigenen Bild eingegriffen worden. Außerdem sei diese Rechtsgutsverletzung gemessen an den §§ 22, 23 des Kunsturhebergesetzes (KUG) rechtswidrig. Nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG ist es nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, Bildnisse ohne Einwilligung der Abgebildeten zu verbreiten oder zur Schau zu stellen. Insbesondere handle es sich bei dem Foto des Moderators nicht um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, sodass der Ausnahmetatbestand des § 23 I Nr. 1 KUG nicht eingreife. Daneben gewähre die unbefugte Nutzung des Bildes einen vermögensrechtlichen Vorteil, den die Beklagte auf Kosten des Fernsehmoderators erlangt habe. Daraus folgt ein Anspruch aus Eingriffskondiktion gem. § 812 I 1 2. Alt. BGB.
Der Grundsatz der Lizenzanalogie
Auf Rechtsfolgenebene berechnet sich der Anspruch des Moderators – zumindest nach seiner und der Auffassung des OLG – im Wege der sogenannten Lizenzanalogie. Danach hat die Beklagte dem Fernsehmoderator den Wert zu ersetzen, der bei vertraglicher Einräumung vernünftig erschienen wäre (§ 97 II 3 UrhG). Voraussetzung der Lizenzanalogie ist aber die kommerzielle Nutzung der Person (vorliegend in Form ihres Bildnisses). Allein eine unbefugte oder sogar besonders verwerfliche Verwendung genügt nicht, sofern sie im Rahmen einer redaktionellen Berichterstattung erfolgt. Mit Blick auf Art. 5 I GG und zur Vermeidung eines „chilling effects“ ist die Tätigkeit der Presse insofern privilegiert.
Die Beklagte verweist darauf, dass das Bild zulässigerweise auf die eigene Berichterstattung aufmerksam machen sollte. Durch auffällige Anpreisungen Interesse zu wecken sei von Art. 5 I GG gedeckt. Mit solchen Ankündigungen unter Umständen „direkt“ Geld zu verdienen, sei zudem in einer beinahe vollständig privatwirtschaftlich strukturierten Medienwelt fast jeder publizistischen Handlung immanent. Der Kläger wurde weder werblich vereinnahmt, noch sei das Bild eine rein produktbezogene Werbemaßnahme. Man habe dem Leser gar in redaktioneller Form ein „Rätsel“ gestellt, das der Artikel auflöst. Der Lizenzanalogie stehe jedenfalls entgegen, dass es an der notwendigen Lizenzüblichkeit fehle, da bei vergleichbaren Veröffentlichungen dem Abgebildeten kein Honorar gezahlt würde. Eine Fiktion dessen, was dem Abgebildeten bei vertraglicher Abrede eingeräumt werden würde, kann daher schon keinen Anspruch begründen, der über 0 € hinausgeht. Dem wird vom Kläger entgegengehalten, dass wegen des neuartigen Lebenssachverhalts ein Lizenzanspruch nicht schon deshalb ausgeschlossen werden kann, weil sich noch keine solche „Branchenüblichkeit“ herausgebildet habe. Es entspreche vielmehr der Verkehrssitte und dem hohen Marktwert des Moderators, ihn für die in Rede stehende Abbildung zu entlohnen.
Der beklagten Programmzeitschrift war von vornherein klar, dass drei der vier abgebildeten Personen gesund sind. Dass mit haltlosen Spekulationen der Eindruck erweckt wird, hochbeliebte Fernsehstars seien an Krebs erkrankt, rücke die Überschrift nach Auffassung des OLG daher verdächtig nahe an eine bewusste Falschmeldung. Letztlich hat das Gericht einen Fall der redaktionellen Berichterstattung und damit auch die daraus folgende Privilegierung abgelehnt. Eine Auseinandersetzung mit dem Moderator erfolgte im Artikel mit keinem Wort. Auch eine gedankliche Verbindung zwischen dem Bild, das die Aufmerksamkeit des Betrachters wecken soll, und dem redaktionellen „Zielbeitrag“ liege nicht vor. Sein Bildnis diene einzig der Vermarktung des Artikels. Nach Auffassung des OLG können dadurch erworbene unmittelbare Werbemehreinnahmen auch dann zu einer ausgleichspflichtigen Nutzung führen, wenn dem Bild kein „generell werbender Charakter“ zukommt. Ebenso sei nicht notwendig, dass das Produkt ausdrücklich durch die abgebildete Person beworben wird. Auch eine bloße Aufmerksamkeitswerbung, bei der eine gedankliche Verbindung zum beworbenen Produkt entsteht, könne ausreichen.
Ausblick
Clickbaiting ist jedem Internetnutzer bekannt. Der Kampf um hohe Zugriffszahlen und Werbeeinnahmen beginnt mit Öffnen des Browsers. Der Fall gibt hierzu ein zynisches Beispiel. Durch reißerische Überschriften oder Thumbnails wird eine sog. Neugierlücke (curiosity gap) erzeugt, die Internetnutzer auf einen Artikel, ein Video oder das zu verkaufende Produkt lockt. Mit dem perfekten Clickbait wird so viel Aufmerksamkeit wie möglich mit so wenig Information wie nötig erzeugt. In der Regel ist das nicht verboten. Grundsätzlich sind übertriebene, verkürzte, pauschale oder auch unter jedem denkbaren Gesichtspunkt geschmacklose Überschriften und Abbildungen nicht pauschal unzulässig. Auch „Sensationspresse“ ist von Art. 5 I GG grundsätzlich geschützt (vgl. u.a. BVerfGE 34, 269/283). Im Rahmen „publizistischer Eigenwerbung” Aufmerksamkeit zu erzeugen, muss sich aber immer auch am allgemeinen Persönlichkeitsrecht messen lassen. Nicht geschützt ist Presse und Berichterstattung dann, wenn sie überhaupt keine ist. Das klingt trivial, die Abgrenzung zwischen journalistischen Inhalten und reiner Vermarktung ist es aber oft nicht. Vermarktung selbst ist schließlich immer häufiger auch inhaltliche Auseinandersetzung, oder wie hier: Zumindest als solche getarnt. Gerade im Internet hat Werbung oft nicht den klassischen „Werbecharakter“ von Litfaßsäulen oder Fernsehspots. Werbung durch Clickbaiting oder Produktplatzierungen erfolgt subtiler und wahrt teils ein redaktionell anmutendes Format. Rechtlich darf deshalb aber keinesfalls auf einen geringeren Vermarktungscharakter (oder -erfolg) geschlossen werden – im Gegenteil.
Im Rahmen digitalen Marketings und des Rechts am eigenen Bild ergeben sich daher viele Fragen, die nach klärenden höchstrichterlichen Entscheidungen verlangen. Das rechtliche Verhältnis zwischen Werbung und Journalismus im Internet wird ausdifferenzierter werden (müssen). Der I. Zivilsenat könnte hierzu mit dem anstehenden Urteil einen wichtigen Beitrag leisten.
Update: Der BGH hat die Entscheidung des OLG Köln bestätigt und
entschieden, dass die Beklagte zur Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr wegen
unzulässiger Nutzung des Bildes verpflichtet ist.
Entscheidungen
LG Köln v. 25.07.2018 – 28 O 74/18
https://openjur.de/u/2147224.html
OLG Köln v. 28.05.2019 – 15 U 160/18
https://openjur.de/u/2175289.html
BGH Entscheidung v. 21.01.2021 – I ZR 120/19
https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/2021013.html
Globe Telecom
Smart Communications