„Kreativität ist Ausdruck menschlicher Persönlichkeit und eine unverzichtbare Voraussetzung für die Entwicklung der Menschen, der Kultur und der Gesellschaft insgesamt.“
Diese Worte finden sich im Gesetzesentwurf zum Urhebervertragsrecht, den das Bundeskabinett am 16. März beschlossen hat. Sie verdeutlichen die grundlegende Bedeutung des Urheberrechts für unsere Gesellschaft: Eben jene kreativen und künstlerischen Leistungen zu schützen, die sowohl Ausdruck der Individualität des Einzelnen als auch der gesamten Kultur sind.
Gleichsam hätten diese Worte der Leitspruch des zweiten Kongresses für Urheberrechtspolitik sein können, der am 15. März in Berlin stattfand. Das Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg, die Senatskanzlei des Landes Berlin und das Erich Pommer Institut hatten führende Experten aus Politik, Recht und Wirtschaft eingeladen, um brandaktuelle Fragen des Urheberrechts zu diskutieren. Durch den Tageskongress führten die Rechtsanwälte Prof. Dr. Jan Bernd Nordemann und Prof. Dr. Ulrich Michel.
Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Urheberrecht
Maria Martin-Prat, Leiterin der Abteilung Urheberrecht bei DG Connect der Europäischen Kommission, eröffnete den ersten Themenkomplex „Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Urheberrecht“. Schnell wurde ihr grundsätzliches Postulat deutlich: Wesentliche urheberrechtliche Regelungen sollten ihren Ausgangspunkt auf Unionsebene haben. Dabei müsse sichergestellt werden, dass ausgewogene gesetzliche Grundlagen geschaffen würden, in denen die Belange von Kultur und Wirtschaft gleichermaßen bedacht würden. So habe auch der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, die Förderung des Digitalen Binnenmarktes als wichtiges politisches Ziel eingestuft, wobei dem Urheberrecht eine zentrale Rolle zukomme. Mit diesem grundsätzlichen Credo widmete sich Frau Martin-Prat verschiedener Einzelfragen: Sie sprach insbesondere über die Portabilitätsverordnung der EU (COM(2015) 627 final), die zukünftig die grenzüberschreitende Nutzung von Onlinediensten sicherstellen und die Folgen der Territorialität des Urheberrechts abmildern soll. Weitere Themen waren Schrankenbestimmungen, die faire Beteiligung von Urhebern am zunehmenden Erfolg der Online-Vermarktung und die Durchsetzung von Urheberrechten.
Es folgte ein Impulsvortrag von Petra Kammerevert (SPD/S&D), Abgeordnete im Europäischen Parlament, zu Schranken im europäischen Urheberrecht. Sie betonte, dass es eine der größten Herausforderungen unserer Zeit sei, bei fortschreitender Digitalisierung und umfassendem Zugang zu Werken über das Internet eine faire Beteiligung der Urheber sicherzustellen. Ferner sei zwar die Schaffung eines digitalen, europäischen Binnenmarktes das Ziel. Eine komplette Aufhebung von Territorialität und Exklusivität sei jedoch nicht denkbar. Das Geoblocking durch gesetzliche Vorschriften grundsätzlich, also über die Portabilitätsverordnung hinaus, zu verbieten, sei mit Blick auf die Vertragsfreiheit und die kulturellen Unterschiede der einzelnen Mitgliedstaaten nicht erstrebenswert.
Diese Ansicht teilte der nächste Redner, Stefan Brost, Leiter des EU-Büros des DFB und der DFL. In seinem Vortrag arbeitete er heraus, dass der audiovisuelle Binnenmarkt durch kulturelle Unterschiede geprägt ist. Anders als der Warenverkehr lasse sich dieser daher nicht ohne Weiteres vereinheitlichen. Eine Aufhebung der Territorialität würde Unternehmen letztlich dazu zwingen, paneuropäische Lizenzen zu vergeben. Dies hätte zur Konsequenz, dass ein länderspezifisches Angebot kaum noch möglich wäre. Auch seien höhere Preise für Lizenzen und eine Konzentration auf einige wenige Lizenznehmer zu befürchten, da sich kleinere Unternehmen paneuropäische Lizenzen mitunter nicht leisten könnten.
Schließlich hatte Dr. Philipp-Christian Thomale die Gelegenheit, Bedenken und Interessen aus Perspektive des Axel Springer Verlags darzulegen. Vor allem der unzureichende Schutz für Presseverleger im europäischen Urheberrecht sei problematisch. Presseverleger trügen zwar die wirtschaftlichen und ideellen Risiken einer Veröffentlichung, könnten sich aber nur auf die von den Autoren abgeleiteten Rechte berufen. Ein europaweites Leistungsschutzrecht für Presseverleger, ähnlich dem für Film- und Musikproduzenten, wäre nach Ansicht von Dr. Thomale wünschenswert. So sollten den Presseverlegern seiner Meinung nach ein eigenes Vervielfältigungsrecht, ein eigenes Recht der öffentlichen Wiedergabe und Zugänglichmachung sowie ein eigenes Verbreitungsrecht zustehen.
Nationales Urheberrecht – der Regierungsentwurf zum Urhebervertragsrecht
Den zweiten Teil der Veranstaltung eröffnete Matthias Schmid, Leiter des Referats für Urheber- und Verlagsrecht im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, mit einem Bericht über die Urheberrechtspolitik in der aktuellen Legislaturperiode. Er hob hervor, dass die EU-Richtlinie für Verwertungsgesellschaften (2014/16/EU) im April oder Mai vollständig umgesetzt sein soll. Damit werde die bis zum 10. April laufende Umsetzungsfrist wahrscheinlich leicht überschritten.
Anschließend wurde der schon eingangs angesprochene Regierungsentwurf zum Urhebervertragsrecht diskutiert. Er war kurz zuvor an die Öffentlichkeit geleakt worden und beschäftigte selbstverständlich auch die Vortragenden.
Zuerst trafen die Interessenvertreter der Regisseure und der Filmwirtschaft aufeinander. Herr Dr. Jürgen Kasten, Geschäftsführer des Bundesverbands Regie, führte aus, dass das bisherige Verfahren zur Vereinbarung gemeinsamer Vergütungsregeln sehr anfällig für Blockaden durch die Lizenznehmer sei. Während Herr Dr. Kasten sich deshalb eine stärkere Verbindlichkeit des Schiedsgerichtsverfahrens wünschte, visierte Heiko Wiese, Beauftragter für Urheberrecht von der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, spezifische Branchenvereinbarungen an.
Viel Beachtung erfuhr der geplante Auskunftsanspruch gemäß § 32d UrhG-E, mit Hilfe dessen der Urheber sich über die Erträge informieren kann, die der Lizenznehmer mit dem Werk erzielt hat. Die Reaktionen unterschieden sich je nach Branchenzugehörigkeit und Interessengruppe. Kritisch äußerte sich Frau Dr. Jeannette Viniol, Mitglied der Geschäftsführung der deutschen Werbewirtschaft, weil der Anteil des Unternehmensgewinns, der genau auf die von den Urhebern erstellte Werbung zurückzuführen sei, sich schlichtweg nicht bestimmen lasse. Gleichzeitig sah sie Konfliktpotenzial mit Geheimhaltungsinteressen und dem Kartellrecht. Sie zeigte sich allerdings zuversichtlich, dass es infolge der nur mittelbaren Auswirkungen unverhältnismäßig sei, vom Werbenden Auskunft über den Anteil des Werbeeffekts am Ertrag zu verlangen.
Der Begriff der Unverhältnismäßigkeit bereite wiederum der Allianz deutscher Designer Sorge. Deren Geschäftsführerin Victoria Ringleb betonte, die Begriffe der „unverhältnismäßigen“ Inanspruchnahme und der „untergeordneten“ Beiträge seien zu unbestimmt. Das sei deshalb problematisch, weil unter diesen Voraussetzungen der Auskunftsanspruch des Urhebers ausgeschlossen ist. Die Gerichtsverfahren, die geführt werden müssten, um diese Unklarheiten zu beseitigen, würden Urheber vermutlich abschrecken. Sie dürften aufgrund des Prozessrisikos den Gang zu Gericht scheuen. Infolgedessen würde die Asymmetrie zwischen Urhebern und ihren Lizenznehmern zementiert.
Simon Schenk, Geschäftsführer des Bundesverbands der interaktiven Unterhaltungsindustrie, wies auf die Besonderheiten der Computerindustrie hin. An Computerspielen würden teilweise tausende Urheber mitwirken. Sollten diese nun alle einen eigenen Auskunftsanspruch geltend machen können? Das klassische Urheberrecht sei maßgeblich an der Printbranche orientiert. Deshalb könne es die Bedürfnisse der modernen Computerindustrie nicht abbilden: Hier unterscheide sich bereits die Grundkonstellation, denn Urheber und Verwerter würden vom selben Verband vertreten, um sich dem gemeinsamen Ziel des besten und wirtschaftlichsten Produkts unterzuordnen.
Schließlich rundete Prof. Dr. Eva Inés Obergfell von der Humboldt-Universität zu Berlin die Diskussion ab. Sie ging insbesondere auf den Unterlassungsanspruch nach § 36b UrhG-E ein. Dieser verleiht dem Urheber unter zwei Voraussetzungen ein Klagerecht: Erstens müssen Vereinigungen von Urhebern und Werknutzern oder einzelne Werknutzer gemeinsame Vergütungsregeln aufgestellt haben. Zweitens muss ein Verwertungsvertrag zum Nachteil des Urhebers von diesen gemeinsamen Vergütungsregeln abweichen. Obwohl durch den Unterlassungsanspruch die Position der Urheber gestärkt werden solle, könne sich diese Intention ins Gegenteil verkehren: Der Anspruch setze nämlich voraus, dass gemeinsame Vergütungsregeln existieren. Um die neue Regelung zu umgehen, könnten Verwerter also davon absehen, überhaupt gemeinsame Vergütungsregeln zu vereinbaren. Diese seien aus Sicht der Urheber aber oft vorteilhafter als individualvertragliche Vereinbarungen, bei denen sich der Urheber in der schwächeren Verhandlungsposition befinde. Zum Abschluss ging Prof. Obergfell auf die Vielfalt an branchenspezifischen Besonderheiten ein, die sich im Laufe der Diskussion aufgetan hatten. Diesen unterschiedlichen Bedürfnissen könne der Gesetzgeber gerecht werden, indem er ein Urhebervertragsrecht schaffe, das selbst zwischen den einzelnen Branchen differenziere.
Fazit
Der Kongress führte sowohl die Vielfalt der Bereiche, die das Urheberrecht inhaltlich berührt, als auch die Vielzahl an Regelungsregimen, denen ein einzelner Lebenssachverhalt unterliegen kann, sowie die hieraus resultierende Komplexität vor Augen. Dennoch wurde beim Rundflug über die europäischen und nationalen Entwicklungen im Urheberrecht eines klar: Seit Jahrhunderten veränderte sich das Kommunikationsmedium stetig, vom geschriebenen Wort über den Buchdruck bis hin zum Radio, dem Fernsehen und dem Internet. Bislang konnte das Urheberrecht mit der Lebenswirklichkeit Schritt halten. Der Kongress hat gezeigt, dass dies auch in Zukunft so sein wird, solange in Expertenrunden und im gesellschaftlichen Diskurs aktiv nach Antworten auf die Frage gesucht wird: Wie muss ein modernes Urheberrecht ausgestaltet sein? (N. D./M. B.)