Leistungsschutzrecht für Presseverleger vor Landgericht Berlin (Update)

Heute war es so weit. Vertreter Googles und verschiedener deutscher Verlage standen sich zum ersten Mal vor Gericht gegenüber, um dort ihren Streit über das Leistungsschutzrecht für Presseverleger weiter auszutragen. Dass den klagenden Verlegern die nächste Schlappe bevorstehe, stellte der vorsitzende Richter der Kartellkammer am Landgericht Berlin sehr früh klar: Nach interner Beratung tendiere man dazu, die Klage abzuweisen.

Zu diesem Ergebnis sei man gelangt, weil im Falle von Suchmaschinen stets eine Win-Win-Situation vorliege. Neben den Nutzern und denjenigen, die Internetseiten betreiben, würden auch die Werbenden und die Suchmaschinenanbieter voneinander profitieren. Es sei ein ausgewogenes System, das erst durch das Presseleistungsschutzrecht aus dem Gleichgewicht gebracht worden sei.

Außerdem stellten die Richter klar, dass man sich in diesem Verfahren nur zur kartellrechtlichen Problematik äußern werde; worum es nicht gehe, sei hingegen die Frage, wie lang ein Snippet sein müsse, damit ein Vergütungsanspruch geltend gemacht werden könne. Deshalb beschränkten sich die folgenden Ausführungen der Kammer darauf, ob Google eine Marktmacht innehabe und ob diese missbraucht worden sei. Da 95% der Nutzer Google als ihre Suchmaschine wählten, könne man von einer marktbeherrschenden Stellung sprechen. Allerdings finde kein Missbrauch statt, da Google alle Verlage gleichbehandele: Kein Verlag solle Geld aufgrund des Leistungsschutzrechts für Presseverleger erhalten.

Das sahen die Anwälte der Verlage naturgemäß anders. Man sei auf den Traffic durch den Suchmaschinenriesen angewiesen. Der Quasi-Monopolist Google habe den Verlagen die Pistole auf die Brust gesetzt und sie gezwungen, eine  „Gratislizenz“ zu erteilen. Würde ein größerer Wettbewerb unter den Suchmaschinenanbietern bestehen, hätte es dazu gar nicht kommen können, sodass ein Marktmissbrauch vorliege.

Die Google-Anwälte wiesen auf das seltsame Ergebnis hin, an dem den Verlagen gelegen sei: Man solle entweder verurteilt werden, die Snippets der klagenden Verlage anzuzeigen und Lizenzgebühren zu zahlen oder ganz auf Snippets zu verzichten, obwohl einige Verlage ausdrücklich erklärt hätten, dass sie auf Lizenzgebühren nach dem Leistungsschutzrecht verzichten.

Der Wille des Gesetzgebers habe aber nicht darin bestanden, wenigen Verlagen zu ermöglichen, die Regeln für die ganze Branche zu diktierten, sondern er habe den Verlagen nur eine weitere Gestaltungsmöglichkeit an die Hand geben wollen, deren Ausübung ihnen freistehe. Denn das Leistungsschutzrecht für Presseverleger sei – unstreitig – ein Verbotsgesetz. Es müsse also nicht geltend gemacht werden; man könne einfach darauf verzichten.

Zum Ende schlug der vorsitzende Richter vor, sich gütlich zu einigen und so einen Urteilsspruch zu vermeiden. Er könne sich vorstellen, dass die Parteien eine bestimmte Länge für Snippets festlegten, die Google vergütungsfrei anzeigen dürfe. Die Parteien zeigten jedoch wenig Begeisterung für diesen Vorschlag. Google wies darauf hin, die Verlage hätten nie signalisiert, dass sie sich mit einer festen Grenze zufriedengeben wollen. Ferner sehe man es als höchst problematisch an, mit wenigen Verlagen darüber zu reden, wie der Markt für alle gestaltet werden solle.

Des Weiteren ist zu beachten, dass die Verlage Geld von Google erhalten wollen. Würden sie einer festen Grenze zustimmen, käme bei ihnen kein Cent an. An einer gütlichen Einigung können sie also kein Interesse haben. Sie setzen vielmehr darauf, dass Google Snippets anzeigen muss, für die eine Vergütung nach dem Leistungsschutzrecht verlangt werden kann. Genau dazu kann das Kartellrecht jedoch niemanden zwingen, nicht einmal einen Marktbeherrscher.

Das Landgericht wird die Klage also höchstwahrscheinlich abweisen. Damit wird der Streit in die nächste Instanz gehen und eines Tages beim Bundesgerichtshof landen. Auf Rechtssicherheit wird man also noch lange warten müssen. (T. Hi.)

UPDATE 19.02.2016, 23:48 Uhr: Inzwischen hat das Gericht die Klage abgewiesen. (T. Hi.)

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