Unser Clinic-Projekt
Wir haben uns daher in unserem Clinic-Projekt intensiv mit diesem Thema befasst. Zusammen mit dem HLCI-Partner SmartLaw Media GmbH und der auf Medien- und Entertainmentrecht sowie Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht spezialisierten Kanzlei Brehm & v. Moers haben wir einen Grafikdesign- und einen Fotografenvertrag für das SmartLaw-System erstellt. SmartLaw ist ein Startup-Unternehmen, das teilindividualisierte Verträge aus verschiedenen Rechtsbereichen anbietet. Auf der Webseite Smartlaw.de wird der Nutzer durch ein Interview mit umfassenden Praxistipps und Erläuterungen geführt und entscheidet so individuell über die Gestaltung seines Vertrages. Die Möglichkeit der individuellen Vertragsgestaltung führte dazu, dass wir nicht nur einen Mustervertrag erstellten, sondern uns mit der Vielzahl von möglichen Interessenlagen und Vertragsmodalitäten auseinandersetzten.
Rechteübertragung und Pauschalvergütung in AGB
Nicht zuletzt kommt es bei der Erstellung von Lizenzverträgen immer wieder auf die Frage an, ob die Einräumung der Nutzungsrechte und die dafür geschuldete Vergütung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dies gilt insbesondere bei „Buy-Out“-Klauseln. Unabhängig davon, ob diese generell angemessen sein können, wird das Problem häufig dadurch verschärft, dass es sich bei den Lizenzverträgen um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt, die vom Werkverwender diktiert werden. Können solche in AGB verwendeten „Buy-Out“-Klauseln noch angemessen und zulässig sein?
Pro
In vielen Branchen ist es üblich, eine Pauschalvergütung zur Abgeltung einer kompletten Rechteübertragung in AGB zu vereinbaren. Dies entspricht zwar regelmäßig eher dem Interesse der Werkverwender als dem der Urheber: Sie halten sich weitestgehende Nutzungsmöglichkeiten offen und müssen dafür nur einmal zahlen. Dass die Werkverwender die für sie bestmögliche Gestaltung des Vertrages durchzusetzen versuchen, kann ihnen aber per se nicht übel genommen werden, sondern ist Ausdruck der das Zivilrecht bestimmenden Privatautonomie. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich der Werkverwerter – wie häufig – bei den Vertragsverhandlungen in einer wirtschaftlich überlegenen Position befinden. Angesichts der überlegenen Verhandlungsposition der Werkverwerter könnte jedoch einiges dafür sprechen, dass Pauschalvergütungen in dieser Konstellation als unangemessen einzustufen sind.
Nicht pauschal zu beurteilen!
Das kann jedoch nicht generell angenommen werden. Das UrhG selbst schließt Pauschalvergütungen nicht aus. Eine Pauschalvergütung für eine umfassende Rechteeinräumung ist nach urheberrechtlichen Maßstäben grundsätzlich rechtmäßig, wenn sie bei einer objektiven Betrachtung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine angemessene Beteiligung des Urhebers am voraussichtlichen Gesamtertrag der Nutzung gewährleistet (BGH, Urteil vom 7.10.2009, I ZR 38/07 – Talking to Addison). Dies muss natürlich im Einzelfall und unter Berücksichtigung aller Besonderheiten beurteilt werden. Dabei können auch die konkrete Honorarvereinbarung sowie die Vergütungspraxis eine Rolle spielen (BGH, Urteil vom 18.2.1982 – I ZR 81/80 – Honorarbedingungen; Sendevertrag).
Schutzmechanismen: Anpassung durch §§ 32, 32a UrhG
Auch der Gesetzgeber hat in dem Gesetzentwurf zur Einführung der § 32, 32 a UrhG klargestellt, dass Vereinbarungen von Einmalzahlungen in Buy-Out-Verträgen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein sollten. Für ein pauschales Verbots besteht auch kein Bedarf, denn die Urheber werden durch eine Reihe anderer Mechanismen geschützt:
Ein Ungleichgewicht zwischen den Rechtspositionen der Parteien kann etwa durch die Geltendmachung der Rechte aus §§ 32, 32a UrhG behoben werden. Diese geben den Urhebern Ansprüche auf Vertragsanpassung, wenn das vereinbarte Honorar von Anfang an nicht angemessen war bzw. später eintretende Umstände zu einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung führen, wie beispielsweise bei einem unerwarteten Bestseller.
Zweckübertragungslehre
Der Urheber wird zudem durch die in § 31 V UrhG normierte Zweckübertragungslehre geschützt. Sie stellt die Vermutung auf, dass der Urheber grundsätzlich nur die Rechte übertragen wolle, die zur Erreichung des Vertragszwecks erforderlich sind; alle anderen Rechte verbleiben beim Urheber. Zumindest bei pauschal formulierten Rechteeinräumungen, d.h. wenn es in der Vertragssprache an einzeln bezeichneten Rechten fehlt, kommt ihr große Bedeutung zu. Dann werden nur die wirklich notwendigen Rechte übertragen.
Informationsrechte begünstigen Urheber
In Buy-Out-Verträgen bietet sich außerdem die Möglichkeit, dem Urheber Informationsrechte einzuräumen. So hat der Urheber die Möglichkeit, den Gewinn und Umsatz, welcher mit seinem Werk erwirtschaftet wird, genau einzusehen und Anpassungsansprüche geltend zu machen. Von Gegnern der pauschalen Vergütungsvereinbarung wird oft vorgebracht, dass es dem Urheber mangels Kenntnis dieser Zahlen faktisch unmöglich sei, seine Rechte wahrzunehmen. Mit vereinbarten Informationsrechten kann diesem Vorwurf entgegengetreten werden.
AGB-Recht: Keine Inhaltskontrolle von Hauptleistungspflichten in AGB!
Auch aus dem AGB-Recht lässt sich kein zwingender Grund gegen die Verwendung von Buy-out-Klauseln herleiten. Dabei ist ausschlaggebend, dass Klauseln über die Rechteeinräumung und die dafür versprochene Vergütung die Hauptleistungspflichten definieren. Der BGH hat in seiner Entscheidung Honorarbedingungen freier Journalisten bekräftigt, dass vertragliche Hauptleistungspflichten zum Kernbereich privat-autonomer Vertragsgestaltung gehören; sie könnten daher nicht Gegenstand einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB sein. Die Parteien dürfen nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit die Leistungen nach Belieben regeln. Zwar wird die Sicherung einer angemessenen Vergütung des Urhebers (§ 11 Satz 2 UrhG) als gesetzliches Leitbild verstanden und ist daher – in anderen Konstellationen – im Rahmen einer Inhaltskontrolle grundsätzlich zu beachten. Wenn aber, wie hier, die Hauptleistungspflichten betroffen sind, hilft das gesetzliche Leitbild wenig weiter. Sie unterliegen schließlich nicht der Inhaltskontrolle.
Transparenzgebot
Auch Vergütungsklauseln müssen jedoch dem Transparenz- und Bestimmtheitsgebot entsprechen. Gemäß § 307 I BGB ist eine Bestimmung in AGB angemessen, wenn sie klar und verständlich formuliert ist und den Vertragspartner des Verwenders nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteiligt. Es ist daher bedeutend, den Umfang der Rechteübertragung sowie die Vergütungsvereinbarung klar und verständlich festzulegen. Wird dies sichergestellt, spricht nichts dafür, eine Buy-Out-Klausel als unzulässig anzusehen.
Praktisches Bedürfnis
Das wohl stärkste Argument für die Möglichkeit einer Pauschalvergütung in Buy-Out-Verträgen stellt das praktische Bedürfnis dar. Gerade wenn das marktfähige Produkt erst durch Zusammenfügungen von Werken oder gemeinschaftlich erstellten Werke geschaffen wird, schließt sich eine Vergütung mit Beteiligungsvarianten aus Gründen der Praktikabilität nahezu aus. Dem Urheber ist wenig geholfen, wenn er zwar einen Anspruch auf die Zahlung einer prozentualen Gewinnbeteiligung hat, diese aber mit allgemeiner Unsicherheit bei der Berechnung behaftet ist, welche eine praktische Durchsetzung nahezu unmöglich macht. (D.S.)
Contra
Eins vorweggenommen: Eine Pauschalvergütung für die umfassende Rechteeinräumung in AGB muss nicht zwangsläufig nachteilig für den Urheber und unzulässig sein.
Jedoch entspricht es in der Praxis leider viel zu oft den Tatsachen, dass Urheber aufgrund ihrer wirtschaftlich unterlegenen Stellung unangemessenen Bedingungen in AGB zustimmen müssen. Um dies zu verhindern, hob der BGH in seiner Entscheidung Talking to Addison hervor, dass eine Pauschalvergütung nur dann redlich sein kann, wenn sie bei objektiver Betrachtung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine angemessene Beteiligung am voraussichtlichen Gesamtertrag der Nutzung gewährleistet.
Intransparenz und Ungenauigkeit
Doch genau das ist das erste Problem:
Den konkreten wirtschaftlichen Erfolg eines urheberrechtlich geschützten Werkes noch vor Beginn der Verwertung abzuschätzen, verlangt mehr als nur Geschäftskenntnis. In diese Prognose spielen zu viele ungewisse Faktoren rein: Es ist nicht abzusehen, wie lange das Werk verwendet wird, in welchem Umfang eine Nutzung erfolgen soll und in welchen Medien das Werk auftauchen wird. Oft hat der Verwender solcher „Buy Out“-Klauseln hat nur eins im Sinn – sich möglichst günstig alle Rechte einräumen zu lassen. Gerade im Rahmen von AGB ist typischerweise eine Partei der anderen weit überlegen. Diese Machtstellung wird auf Kosten des Urhebers ausgenutzt. Wenn sich die Urheber aus diesem Grund nicht selbst wehren können, müssen wenigstens die Gerichte einschreiten.
Nachträgliche Anpassung vom Gesetz gewollt
Wurde ein Lizenzvertrag mit einer zu niedrigen Beteiligung des Urhebers geschlossen, ist er nicht völlig chancenlos. Nach § 32 I 3 UrhG kann er eine nachträgliche Vertragspanpassung vom Vertragspartner verlangen, soweit die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist. So vielversprechend die Norm auch klingt: ganz leicht ist ihre Anwendung nicht.
Der Urheber benötigt zunächst umfassende Informationen, um zu beweisen, dass die vereinbarte Vergütung nicht im Sinne des § 32 II S. 2 UrhG redlich und üblich ist. Die Beschaffung dieser Informationen ist in der Praxis nicht immer problemlos und zeitnah möglich.
Auch § 32a UrhG schafft nur schwer Abhilfe. Die Norm greift erst bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Eine solche Ungleichheit wird nur in dem seltenen Fall angenommen, dass der Erfolg die vereinbarte Vergütung um mehr als 100% übersteigt.
Deshalb wäre es sinnvoll, eine Pauschalvergütung zur vollständigen Rechteeinräumung in AGB von vornherein zu untersagen und den Urheber so vor den genannten Problemen zu bewahren. Gerichte wie das OLG Hamburg vertreten diese Ansicht.
Verstoß gegen gesetzliches Leitbild
Nicht nur ein rechtspolitisches Bauchgefühl verlangt eine wirtschaftlich angemessene Beteiligung des Urhebers an der Verwertung seiner Werke. An vorderster Stelle
werden die Rechte des Eigentümers durch Art. 14 GG geschützt. Vom grundgesetzlichen Schutzbereich umfasst ist neben dem körperlichen auch das geistige Eigentum. Schafft ein Individuum in künstlerisch-kreativer Weise etwas, muss die Urheberschaft am Werk ihm zugeordnet werden und nicht zuletzt auch die daraus resultierenden Erträge.
Dieser Gedanke findet auch Niederschlag im Urheberrechtsgesetz. In § 11 S. 2 UrhG ist das Prinzip der angemessenen Vergütung verankert, um dem Urheber eine faire Beteiligung an der Verwertung seines Werkes zu sichern. § 11 S. 2 UrhG kommt eine Leitbildfunktion zu, die nach § 307 II Nr. 1 BGB eigentlich zur Unwirksamkeit einer AGB-Klausel führen könnte. Allerdings unterliegen Preisabreden für Hauptleistungspflichten grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle in AGB. Eine Ausnahme kann nur gemacht werden, wenn Rechtsvorschriften ausnahmsweise gerade Preisregelungen zum Gegenstand haben.
Der BGH hat es in seiner Entscheidung Honorarbedingungen für freie Journalisten jedoch abgelehnt, dass § 11 S. 2 UrhG eine solche Norm ist.
Dennoch wohnt ihr eine Leitbildfunktion inne. Denkbar ist die Inhaltskontrolle von mittelbaren Preisregelungen in AGB, wie es bereits das OLG Jena befürwortet hat.
Die Richtigkeit der BGH-Entscheidung kann bezweifelt werden. Dem Urheber wird durch derartige Klauseln die Chance auf eine gerechte Beteiligung erschwert. Selbst eine Erfolgsvergütung, bei welcher der Urheber am Absatz des Werkes beteiligt wird, ist nicht immer zulässig, beispielsweise wenn sie zu hohe Hürden für eine erneute Beteiligung des Urhebers schafft – wie kann es dann eine Pauschalvergütung sein? Es bleibt spannend, wie sich die Diskussion weiterentwickeln wird. (R.R.)