Kann ein Link urheberrechtswidrig sein? Diese Frage beschäftigt BGH und EuGH schon länger. Einig war man sich bisher dass, ein Link auf rechtmäßig hochgeladenes Material unproblematisch ist, sofern keine Schutzmaßnahmen umgangen werden. Doch wie sieht es aus, wenn das verlinkte Material hochgeladen wurde, ohne dass der Urheber zugestimmt hatte? Diese Frage hat der EuGH jetzt geklärt.
Sachverhalt
Ein von GS Media betriebenes niederländisches Weblog verlinkte auf Playboy-Fotos der TV-Moderatorin Britt Dekker. Diese Aufnahmen hatte jemand zuvor ohne Zustimmung des Playboy-Verlags Sanoma bzw. des Fotografen bei einem Filehoster hochgeladen. Daraufhin wurde GS Media von Sanoma aufgefordert, den Link auf die Fotos umgehend zu entfernen. Alle Rechtswidrigkeit von sich weisen kam man jedoch der Aufforderung nicht nach, sodass der Streit zu Gericht getragen wurde. Nachdem das Verfahren mehrere Instanzen durchlaufen hatte, wurde dem EuGH die Streitfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Urteil
Der EuGH verweist zur Beantwortung der Frage auf Art. 3 Abs. 1 InfoSoc-RL. Demnach steht einem Urheber das ausschließlich Recht zu, die öffentliche Wiedergabe seines Werkes anderen zu verbieten. Hier konkretisierte der Senat seine bisherigen Aussagen zur Linkhaftung. Ob eine öffentliche Wiedergabe vorliege, müsse individuell beurteilt werden. Diese führt den EuGH hier zu dem Ergebnis, dass der Verlinkende dann rechtwidrig handelt, wenn (1) er wusste oder hätte wissen müssen, dass das verlinkte Werk unbefugt hochgeladen wurde oder (2) wenn durch den Link zugangsbeschränkende Maßnahmen umgangen werden oder (3) wenn der Hyperlink mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt wurde, da in diesem Fall vermutet werde, er wisse um die rechtswidrige Veröffentlichung.
Damit ist der EuGH von der Empfehlung des Generalanwalts abgewichen. Haben die Richterinnen und Richter eine ausgewogene Regelung getroffen oder das Recht der Internetnutzer auf Meinungs- und Informationsfreiheit zu stark zugunsten der Rechteinhaber eingeschränkt?
Pro
Wer Inhalte ohne Erlaubnis hochlädt, mag sie zwar (rechtswidrig) öffentlich zugänglich machen. Doch nur weil auf irgendeinem Server z.B. eine Musikdatei liegt, erleidet der Urheber allein dadurch noch keinen tatsächlichen Schaden. Keiner weiß von dieser Datei! Der Verlinkende ist es, der sie erst wirklich auffindbar macht – und das unmittelbar!
Erst der Link führt zum tatsächlichen Schaden
Der Verlinkende erlangt einen wirtschaftlichen Vorteil. Niemand wird sich an den Namen der Seite erinnern, auf der die Datei liegt. Der Link wird angeklickt, der Inhalt konsumiert, der Nutzer zieht weiter. Aber durch den Link werden der Inhalt und der Verlinkende miteinander assoziiert. Gleichzeitig spart sich der Verlinkende die Kosten einer Lizenz, die er für einen eigenen Upload bräuchte. Das ist ein nicht abzustreitender wirtschaftlicher Vorteil. Haftbar soll sich jedoch nur der Hochladende, nicht aber der Verlinkende gemacht haben?
Das Geschäftsmodell von Streamingplattformen wie beispielsweise kinox.to ist rechtswidrig. Deren Konzept besteht einzig darin, eine Linksammlung bereitzustellen. Warum soll nur der eine für seine Links haften und der andere nicht, obwohl jeweils beide Linksetzer mit Gewinnerzielungsabsicht handeln und der Rechtsinhaber massiv geschädigt wird? Der EuGH hat hier für eine Gleichbehandlung gesorgt: Wer bewusst oder grob fahrlässig auf rechtswidrig hochgeladene Inhalte verlinkt, verstößt gegen das Urheberrecht.
Angenommen, der Verlinkende würde nicht haften. Sobald ein Werk (rechtswidrig) hochgeladen ist, kann es potenziell von jeder Webseite aus verlinkt werden. Natürlich sieht der Rechteinhaber dafür keinen Cent. Dabei kann der tatsächlich angerichtete Schaden, der allein durch das Hochladen entsteht, im Vergleich weitaus geringer sein als der Schaden durch die Verlinkung. Wird beispielsweise ein Musikstück auf einer kleineren Plattform rechtswidrig hochgeladen, ist der Schaden für den Rechteinhaber wegen der fehlenden Reichweite gering. Nutzer größerer Plattformen wie Facebook und Twitter können aber auf das Musikstück verlinken. Erst durch diesen Link wird eine Reichweite erzeugt, die zu einem wirtschaftlich bedeutenden Schaden führt. Ansprüche wären nach obiger Annahme allerdings nur gegen den kleinen Plattformbetreiber möglich. Bis diese – womöglich noch in einem anderen Land – durchgesetzt sind, ist das Musikstück bereits millionenfach heruntergeladen und auf einer anderen Plattform wieder hochgeladen worden. Dieses Katz- und Mausspiel würde sich ewig fortsetzen. Soll unter diesen Umständen eine haftungsfreie Verlinkung wirklich möglich sein?
Fairer Interessenausgleich
Das allgemeine Informationsinteresse spielt bei dieser Frage eine wichtige Rolle. Haftet der Verlinkende, wirkt sich das zwar negativ auf das Internet als Informationsquelle aus. Werden jedoch Inhalte rechtswidrig hochgeladenen, so werden die grundrechtlich geschützten Interessen des Rechteinhabers damit zutiefst verletzt. Braucht es aber für ein befriedigtes Informationsbedürfnis überhaupt Links auf rechtswidrig hochgeladene Inhalte? Ist die Menge an gemeinfreien, lizenzierten oder von urheberrechtlichen Schranken gedeckten Inhalten etwa nicht genug? Nur wenn der Verlinkende auch haftet, befindet sich das Interesse der Rechteinhaber mit dem der Nutzer an einem freien Internet im Gleichgewicht. Dies muss erst recht gelten, wenn mit dem Setzen des Links eine Gewinnabsicht verfolgt wird. Wer kommerziell tätig wird, dem ist es auch zuzumuten, einen Link vorher zu überprüfen.
Schluss mit dem Egoismus
Der entscheidende Punkt ist, dass ein Ausnehmen von der Haftung wie bei rechtmäßig hochgeladenen Inhalten am Ende für alle die schlechteste Lösung wäre. Es kann nicht das Ziel sein, eine Kostenlos-Kultur zu etablieren. Für manche Inhalte muss man eben einen kleinen Betrag bezahlen, damit der Künstler oder Wissenschaftler weitere Inhalte schaffen kann. Nur auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein, schadet letztlich uns allen. (M. Kr.)
Contra
Wer mittels Hyperlink auf einen rechtswidrig hochgeladenen Inhalt verweist, soll demjenigen gleichgestellt werden, der den rechtswidrigen Inhalt ohne Erlaubnis des Rechteinhabers überhaupt erst für alle öffentlich zugänglich gemacht hat. Es ist eine äußerst fragwürdige und nicht gerade nachhaltige Überlegung, die dem Verfahren vor dem EuGH zugrunde liegt und ihr muss heftig entgegengetreten werden. Ansonsten bewegt man sich weiter in eine Richtung, die diametral zur Entwicklung einer stetig wachsenden Informationsgesellschaft steht. Positiv ist, dass der EuGH keine pauschale Haftung geschaffen hat. Das Salz in der Suppe sind jedoch die unklaren Fallgruppen.
Kein neues Publikum
Der EuGH hatte sich bereits eingehend mit der Rechtmäßigkeit von Hyperlinks beschäftigt (Svensson). Dabei beleuchtete er insbesondere das Merkmal der „Öffentlichkeit“ näher. Sofern demnach durch eine Verlinkung kein „neues Publikum“ geschaffen werde, dürfe mittels eines Hyperlinks auf urheberrechtlich geschütztes Material verwiesen werden. Dies gelte nur dann nicht, wenn durch den Link technische Schutzmaßnahmen umgangen würden, welche den freien Zugang zu einem Werk normalerweise beschränkten. Allerdings hatte sich der EuGH hierbei ausdrücklich nur zu rechtmäßig veröffentlichten Inhalten geäußert.
Jedoch darf gar nicht danach differenziert werden, ob ein Inhalt rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Das hätte der EuGH schon damals klarstellen müssen: Auch wenn ein Hyperlink auf rechtswidriges und bereits veröffentlichtes Material verweist, wird kein neues Publikum geschaffen. Dem Rechteinhaber steht nach § 19a UrhG das ausschließliche Recht zu, sein Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wurde das Werk bereits von irgendjemandem ohne zugangsbeschränkende Maßnahmen online gestellt, so ist es öffentlich zugänglich gemacht worden. Jeder Internetnutzer könnte jetzt darauf zugreifen. Wird nun ein Link auf dieses Werk gesetzt, wird dadurch kein „neues Publikum“ geschaffen. Es erfolgt lediglich ein Verweis auf ohnehin schon Vorhandenes. Das aktuelle Urteil des EuGH lässt keinerlei Dogmatik mehr erkennen. Es handelt sich um reine Billigkeitsrechtsprechung.
Symptom-Unterdrückung statt Ursachen-Bekämpfung
Die vom EuGH eingeführten Haftungstatbestände werden in der Praxis zu immensen Schwierigkeiten führen. Wann hätte man bereits wissen müssen, dass der verlinkte Inhalt rechtswidrig veröffentlicht wurde? Und wann liegt überhaupt die tatbestandliche Gewinnerzielungsabsicht vor? Reicht es etwa aus, wenn auf der Seite mit dem Link zwar keine Werbung geschaltet wird, aber dafür auf einer anderen Unterseite? Und sobald ein Journalist auch mit Gewinnerzielungsabsicht handelt, soll er sich nicht mehr auf die Pressefreiheit berufen können, wenn er Inhalte verlinkt? Der EuGH nennt zwar in der Urteilsbegründung die Meinungs- und Informationsfreiheit, eine tatsächliche Abwägung damit erfolgt jedoch nicht. Anstatt klarer Vorgaben hinterlässt das Urteil viel Rechtsunsicherheit.
Link als Kernelement des Internets
Hyperlinks haben für die Funktionalität des Internets eine immense Bedeutung. Ohne sie wäre es nicht möglich, sich gezielt und zügig im Internet fortzubewegen, Informationen zu teilen oder sich damit auseinanderzusetzen. Durch die neue Entscheidung wird diese Kernfunktion massiv beeinträchtigt. Aus Angst vor einer kostenverursachenden Abmahnung wird sich jeder Webseitenbetreiber in Zukunft dreimal überlegen, ob er einen Link setzt. Jeder muss sich fortan selbst fragen, wie viel ihm ein Link wert ist. Wie soll unter solchen Bedingungen noch Journalismus möglich sein?
Zu überprüfen, ob der verlinkte Inhalt rechtswidrig veröffentlicht wurde, ist aber nicht nur teuer. In den allermeisten Fällen wird es nahezu unmöglich sein, überhaupt herauszufinden, ob ein Werk durch den Rechteinhaber bzw. mit dessen Zustimmung veröffentlicht wurde. Wie auch? Man müsste vor jeder Linksetzung zunächst umfassende Informationen beim Webseitenbetreiber darüber einholen, ob das Werk rechtmäßig veröffentlicht wurde. Dazu müsste man erst einmal herauszufinden, wer das ist. Und wird derjenige überhaupt die Wahrheit sagen, wenn er keine Erlaubnis hatte? Was ist, wenn er gar nicht antwortet? Angesichts solcher „Auflagen“ sowie dem Haftungsrisiko ist die Alternative wohl nur, keine Links mehr zu benutzen. Das kann jedoch erst recht nicht Sinn und Zweck der Überlegungen des EuGH sein kann und zeigt, wie widersprüchlich die Entscheidung ist.
Fehlschuss
Der EuGH hatte die Chance, im Sinne der Informationsfreiheit und eines funktionierenden Internets zu entscheiden – und hat sie vertan. Stattdessen wird ein äußerst rückläufiges und kontraproduktives Verhalten gefördert, das lediglich die Auswirkungen einer Urheberrechtsverletzung anstatt ihren Ursprung bekämpfen will. Es werden diejenigen an den Pranger stellt, die lediglich Inhalte verbreiten, die auch ohne ihr Zutun frei verfügbar sind. Einem solchen Prozess darf im Zeitalter des freien und gleichen Zugangs auf Informationsgüter kein Nährboden bereitet werden!